Links: Gavrilo Princip nach seiner Verhaftung. Rechts daneben: Die Tatwaffe, eine Browning 1910 im Kaliber 7,65 Browning, ausgestellt im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien. Zweites Bild von rechts: Einschussloch im Gräf & Stift Automobil, ebenfalls im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien ausgestellt (Bild: Stefan97/Wiki Commons). Bild rechts: Aufnahme der Gerichtsverhandlung in Sarajewo. Als Dritter von links in der ersten Reihe ist Princip zu erkennen. Einige Personen sind unscharf, weil sie sich während der langen Belichtungszeit bewegten. Alle Bilder: Wiki Commons
Gavrilo Princip lieferte den Anlass zum Ersten Weltkrieg
Beitrag von Ulrich Granderath, Meerbusch
Gavrilo Princip
Als Gavrilo Princip im Juli 1894 als eines von neun Kindern des Postangestellten Princip in einem Ortsteil von Bosansko Grahovo im Grenzland zwischen Bosnien und Kroatien geboren wurde, wies
nichts darauf hin, welchen Platz in den Geschichtsbüchern er einmal einnehmen würde.
Von den neun Kindern starben sechs und auch Gavrilo war als Kind klein und schwächlich. Er fiel aber durch seine Intelligenz und gute schulische Leistungen auf und durfte nach Grund- und
Handelsschule das Gymnasium in Sarajewo besuchen. Dort kam der Jugendliche erstmals mit Mitgliedern der serbisch-bosnischen Schüler- und Studentenbewegung Mlada Bosna (Junges Bosnien) in Kontakt
und wurde deren Mitglied. Ziel der Bewegung war es, Bosnien-Herzegowina von der österreichisch-ungarischen Besatzung zu befreien und später einen Nationalstaat Jugoslawien unter serbischer
Führung zu errichten.
Weil er im Februar 1912 an einer regierungsfeindlichen Demonstration in Sarajevo teilnahm, wurde er der Schule verwiesen und musste seine Schulzeit am Gymnasium in Belgrad fortsetzen. Dort lernte
er zwei junge Mitglieder der serbischen Nationalistenorganisation Narodna Odbrana kennen, die später seine Mitattentäter werden sollten: Nedeljko Cabrinovićund Trifko Grabež. Alle drei waren
erfüllt vom Nationalmythos, wonach Serbien seit seiner Niederlage auf dem Amselfeld 1389 stets das Opfer fremder Mächte gewesen sei – so auch des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaates,
den sie leidenschaftlich ablehnten.
Zu Beginn 1914 plante Thronfolger Franz Ferdinand, zum Abschluss der Sommermanöver der k.u.k.-Armee in Sarajewo Präsenz zu zeigen. Als Princip davon erfuhr, entschloss er sich zum Attentat und
begeisterte auch seine Freunde Cabrinović und Grabež dafür. Der serbische Militärgeheimdienstchef Dragutin Dimitrijevi, der ein führendes Mitglied der Untergrundorganisation Crna ruka (Schwarze
Hand) war, sorgte für ihre Ausbildung und die Ausstattung mit Faustfeuerwaffen, Bomben und Zyankalikapseln.
Die Waffe
Die an die Attentäter ausgegebene FN Browning Modell 1910 (kurz: FN 1910) ist eine seinerzeit hochmoderne, kompakte Selbstladepistole im Kaliber 7,65 Browning (manche Quellen sprechen
von 9 mm kurz) mit einer Magazinkapazität von 7 Schuss. Für die Konstruktion zeichnete John Moses Browning verantwortlich, dessen Ideen sich in nahezu allen modernen Faustfeuerwaffen
wiederfinden.
Noch bis kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts dominierten Revolver den Faustfeuerwaffenmarkt, aber Polizei und Militär hatten bereits früh die Vorteile der Selbstladepistole (hohe
Schusszahl, schnelle Schussfolge) erkannt. Allerdings waren die ersten Modelle vor 1900 alles andere als handlich, leistungsstark oder zuverlässig – was sich aber schnell ändern sollte. So
zählte die FN 1910 bald zu den meistverkauften Schusswaffen des jungen Jahrhunderts und fand in vielen Jacken- oder Manteltaschen ihren Platz. Eine optimierte Variante der Pistole, die 1910/22,
wurde sogar noch bis 1983 gebaut und war besonders bei Polizeibehörden weltweit verbreitet.
Die Patronen 7,65 Browning bzw. 9 mm kurz sind relativ schwache Patronen und nur für kurze Distanzen geeignet. Beim Militär wurden Pistolen in diesen Kalibern nur als sogenannte
Offizierspistolen geführt, weil sie leicht und handlich waren. Im Gefecht fanden sie meist als Back-Up-Waffe Verwendung (siehe Kapitel: Otto Dix und Ernst Jünger). Das in der Ausstellung gezeigte
Exemplar stammt etwa aus der Zeit der Attentats-Waffe, die heute im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien zu sehen ist.
Das Attentat und seine Folgen
Der 28. Juni 1914 war ein schöner Tag und die Fahrzeugkolonne nahm den Weg zum Rathaus der Stadt, der bereits Wochen vorher publik gemacht worden war – in der Hoffnung auf eine möglichst
große Zahl von Zuschauern. Schon bald passierte die Kolonne die Position des ersten Attentäters Cabrinovi, der beim Herannahen des Doppelphaetons eine Bombe scharf machte und auf das Fahrzeug
warf. Der Fahrer hatte den Vorgang verfolgt und beschleunigte, während der Erzherzog den herbeifliegenden Sprengkörper mit dem Unterarm abwehren konnte. Dieser explodierte vor dem dritten
Fahrzeug und verletzte zwei der Insassen und eine Reihe von Zuschauern.
Nach dem kurzen Besuch des Rathauses wollte der Erzherzog zum Krankenhaus gefahren werden, um die durch das Attentat Verletzten zu besuchen. Allerdings verfuhr sich der Fahrer und beim Versuch,
in der durch die jubelnde Menge verengten Straße zu wenden, hatte Princip ausreichend Zeit, an das Fahrzeug zu treten, zu zielen und zu feuern. Er galt als der beste Schütze unter den drei
Attentätern.
Landläufig herrscht die Meinung, die drei Schüsse, die Princip am 28. Juni 1914 auf den Erzherzog und seine Frau abfeuerte und die beide töteten, seien ursächlich für den Ausbruch des Ersten
Weltkriegs. Dazu gibt es unter Historikern allerdings unterschiedliche Ansichten:
Die Regierung Österreich-Ungarns stellte Serbien (allerdings erst Wochen nach dem Attentat) ein Ultimatum, was nur teilweise erfüllt wurde und die Kriegserklärung nach sich zog. Als
Bündnispartner musste das Kaiserreich Deutschland folgen und das Verhängnis nahm seinen Lauf.
Geht man davon aus, dass Österreich-Ungarn lediglich einen Anlass zur Intervention suchte, ist die Tat von Sarajewo nur von untergeordneter Bedeutung, denn auch ein anderes Ereignis hätte
irgendwann zum Konflikt geführt. Allerdings spielte Serbien im Hintergrund eine bedeutende Rolle und hoffte nach der kommenden Auseinandersetzung (und einer Niederlage Österreich-Ungarns) auf
eine führende Position in der Region. Man war also dort an einer Auseinandersetzung der europäischen Mächte interessiert, was dann ja später eintrat – mit Folgen bis heute.
Gavrilo Princip wurde an Ort und Stelle festgenommen und entkam so dem Lynchtod durch die aufgebrachte Menschenmenge. Er wurde – weil das Gericht annahm, er sei unter 20 Jahre alt und somit
noch minderjährig – zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Bereits vor dem Attentat litt er an Tuberkulose, die unter den miserablen Haftbedingungen in der Festung Theresienstadt
schließlich im April 1918 zum Tode führte.
Bereits kurz nach Ende des Krieges, bei der Gründung des Königreiches Jugoslawien, galten die drei Attentäter als Helden. Im heutigen Bosnien und Herzegowina sind in der Republika Srpska etliche
Straßen nach Princip benannt, zudem wurde noch im Jahr 2014 in Ost-Sarajewo ein Denkmal für ihn errichtet.
Zur Diskussion
Der Fall Gavrilo Princip lässt deutliche Parallelen zur Gegenwart erkennen. Auch heute lassen sich leider weltweit junge Menschen durch Fanatiker aller Art für ihre kruden Ziele begeistern – mit
schrecklichen Konsequenzen.
Einige Fragen, die wir dem Leser mit auf den Weg geben:
• Hätte sich Österreich-Ungarn auch ohne Gewalt von einer Freigabe der über die Jahrhunderte annektierten Gebiete überzeugen lassen?
• Ist eine Tat wie in Sarajewo (z. B. aus Sicht der sich unterdrückt fühlenden Bevölkerung) moralisch vertretbar?
• Hätte der Attentäter auf die Tat verzichtet, wenn keine Pistole verfügbar gewesen wäre?
• Wie können wir als Gesellschaft verhindern, dass junge Menschen von Fanatikern indoktriniert und missbraucht werden?
Quellen:
Münkler, Herfried; Der Große Krieg/Die Welt 1914-1918, Verlag: Rowohlt Berlin; Auflage: 7
(6. Dezember 2013), ISBN-10: 3871347205, ISBN-13: 978-3871347207
Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Gavrilo_Princip
Adamek, Robert J.; Pistols of World War I, ASIN: B0006SBW8A